20. September 2019

Alles Gute, Heinz!

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Das ist Heinz, und er feiert heute seinen 75. Geburtstag.  Seit fast 30 Jahren ist er Stammgast in der Moritzbastei, heute hat er zur Feier des Tages Kuchen für uns MitarbeiterInnen mitgebracht. Die MB ist seine Burg, in der er sich sicher fühlt. Gute Mitarbeiter, nette Leute, viele kluge Menschen,  man muss sich immer weiterbilden.

Ein bisschen ist Heinz also  Dienstältester in der Moritzbastei, auch wenn er nie hier angestellt war. Eigentlich war die MB in den Siebzigern

und Achtzigern ja ein reiner Studentenclub, als Kessel- und Turbinenwärter im Dimitroff-Heizwerk war Heinz von Anfang an ein Exot hier. Wer ihn hier reingebracht hat Anfang der Achtziger? Weiß er nicht mehr, Namen vergessen. Aber seitdem ist er unserer Bastion treu geblieben.

Ein einfacher Gast war Heinz dabei nie. Alkoholkrank ist er und stolz darauf, seit fast zwei Jahrzehnten trocken zu sein. Aber davor hing er 24 Jahre an der Flasche, die Zahl kennt er genau und diese Zeit hat Spuren hinterlassen. In seinem Gesicht, an seiner Gesundheit, wahrscheinlich auch an seiner Art, mit Menschen umzugehen.

Heinz ist der freundlichste Mensch, den man sich vorstellen kann. Eine treue Seele, anhänglich, beinahe etwas zu anhänglich. Diese Freundlichkeit macht, dass man ihm nicht wirklich – oder wenigstens nicht sehr lange – böse sein kann, wenn er im größten Stress lächelnd am Tresen lehnt und jeden, der es hören will oder eben gerade nicht, von der aktuellen Welt- oder Wetterlage erzählt. Beides sind seine großen Hobbies – Politik und Meteorologie.

Er war ein Säugling, als seine Familie vor dem Krieg aus Schlesien flüchtete. Als junger Mann fuhr er zur See, Volksmarine der DDR. An Bord war er Heizer, und ab 1972 dann Kesselwärter und später Turbinenfahrer im Dimitroff-Kraftwerk hinter dem Bahnhof. 420 Grad Celsius – ein anstrengender Job! Man musste in die Turbine hineinhorchen, auf die Dehnung der Materialien achten, die Werte jede Stunde messen und eintragen. Dann kam 1994 die Treuhand. Danke, Heinz. Du wirst nicht mehr gebraucht. Freundlich waren sie und eine Abfindung hat er bekommen, geklagt hat er  trotzdem, erfolglos. Aber alles gefallen lässt er sich nicht.

Danach? Aushilfsjobs, Winterdienst, Facility management heißt das heute. Tief unten, wie er sagt, aber er ist trotzdem durchgekommen. Trotz Entziehungskuren, Klinikaufenthalten, wenig Geld. Irgendwann um die Jahrtausendwende tauchte er dann wieder in der Moritzbastei auf. Seine Lieblingsplätze? Der Cafétresen und der Rechnerplatz in der LWB-Lounge. Vom Wetter weiß er mehr als Kachelmann, und wenn er uns nicht vor aufziehendem Starkregen, Hitzewellen oder einer kleinen Eiszeit warnt, dann berichtet er von seinen Demo-Erlebnissen. Weltlage, sein anderes Hobby. No Legida, Anti-HartzIV-Demos, Studentenproteste – Heinz läuft mit. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen! Nazis hasst er wie die Pest.

Also Heinz, bleib gesund und Du hast immer einen Platz in der Moritzbastei! Hab einen schönen Geburtstag, und wenn Du von der Fridays-for-future-Demo nach Hause kommst und Dich an Deinen Rechner setzt – „Das Wetter!“ – , dann sei Dir sicher, dass hier jemand ist, der an Dich denkt.

+++ Nachtrag, 15. Oktober 2019
Es ist so verrückt wie es traurig ist – nachdem dieser Beitrag auf unserer Seite veröffentlicht wurde, kam Heinz nicht mehr in die Moritzbastei. In den letzten Monaten legte er seinen Besuch im Moritzbastei-Caf#e üblicherweise auf Dienstag Nachmittags. Richtig Sorgen begannen wir uns zu machen, als sein Betreuer bei uns anrief und fragte, ob wir Kontakt mit ihm gehabt hätten; er könne ihn nicht erreichen.

Gestern erreichte uns dann die Nachricht, dass Heinz vergangene Woche im Krankenhaus verstorben ist. Die „alte Geschichte“ hatte ihn wieder niedergestreckt, vermutlich hat die jahrelange Sucht seine inneren Organe schwer in Mitleidenschaft gezogen. Diesmal hat sein Körper es nicht geschafft, sich wieder zu stabilisieren.

Wir wissen nicht, ob Heinz diesen Text gelesen hat. An seinem 75. Geburtstag haben die meisten MB-KollegInnen sich noch einmal Zeit genommen für einen kleinen Plausch, einen Kaffee oder ein Stück Kuchen mit ihm. Der obige Text entstand nach einem längeren Gespräch, in dem Heinz so klar und offen Auskunft über sich gab, wie lange nicht. Es war ein schöner Abschied voneinander, auch wenn wir das damals natürlich nicht wissen konnten, dass es ein endgültiger werden würde.

Jetzt bleibt uns nur, ihm einen letzten Gruß mit auf die Reise zu geben. Wenn es möglich ist, wird eine MB-Delegation an seinem Begräbnis teilnehmen. Mensch Heinz – du wirst fehlen!


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