… oder ein Brückenschlag zwischen „nur Haare“ und Frisur
Hellsongs + Sarah Noni Metzner, Moritzbastei, 07.05.2010
Von dem Augenblick an, in dem Sarah Noni Metzner die Bühne der gut gefüllten Veranstaltungstonne betrat, war nur noch Flüstern im Publikum zu vernehmen. Die Kanadische Songwriterin kam nämlich ohne Begleitpersonal auf die Bühne. So etwas macht den Blick für das Wesentliche frei und führt zu einer Unmittelbarkeit zwischen Künstler und Publikum: Kein Teppich aus Drums und Bass, keine melodieverliebte Leadgitarre und erst recht keine wabernden Synthiesounds. Die Kanadierin ist eigentlich oft und gerne mit ihrer Band unterwegs – nach Leipzig kam sie allein.
Was seit einigen Jahren schwer in Mode ist, langweilt 2010 eher oft als selten und für jeden selbsternannten Songwriter wird es schwerer das Eigene und Wesentliche herauszustellen, sich so zu verorten, dass man auch wahrgenommen wird und vor allem auf diesem unvermittelten Wege denselben in Herz und/oder Hirn des Zuhörers zu finden.
Sarah Noni Metzner geht keine Umwege – sie singt über den Mann ihrer Träume und wacht auf, über ihr Heimweh und die Frage, wo „Zuhause“ eigentlich ist und sie tüftelt am Ende ihres Gastspiels noch einen filigranen Song aus dem Handgelenk, in dem sie Stimmlage um Stimmlage zu Beat, Bassline und Backgroundgesang verwebt. Da steht sie nun, freut sich über den durchaus warmen Applaus und hat vermittelt: „Hallo! – Dieses Genre ist noch nicht am Ende, so lange jemand Geschichten zu erzählen hat. Ich kann Euch noch mehr erzählen – nachher an der Bar.“ Ein sympathischer Abgang flankiert von einem Flüstern im Publikum, das sich wieder traut etwas Melodie in die Stimmen zu legen.
Dann kommen drei gut frisierte Schweden auf die Bühne. Aus Sprechen wird Flüstern und aus Flüstern wird Tuscheln: „Hast du schon einmal Schweden gesehen, die nur Haare hatten und keine Frisur?“ Antwort: „Nee.“
„Nur Haare“ hätten aber durchaus auch gepasst, denn schließlich haben Hellsongs das Genre „Lounge-Metal“ erfunden. Was das ist? Nun, das sind die Lieblingslieder von Leuten, die von Pubertät bis Anfang 20 eben Haare anstatt Frisur trugen und dabei den Teufelfinger zwischen 1985 und 1995 in die Luft streckten als wollten sie damit Petrus am kleinen Zeh kitzeln. Heute trifft man diese auch mal auf einem Rockkonzert oder gar auf der Indietanzfläche. Heimlich im Auto schieben sie aber immer mal wieder ihre alten Tapes ins Radio – Judas Priest, Iron Maiden, Accept und Black Sabbath – die Liste ist sehr lang. So richtig haben ihre Freundinnen damals wie heute diese Leidenschaft für Doublebass und laute Gitarren nie verstehen können. Auf ein Hellsongs-Konzert nehmen die Jungs, die nun auch überwiegend Frisuren statt Haare tragen, ihre Freundinnen mit. Sie sagen: „Wie geil!“, „Alter, ‚paranoid’!“ oder „Scheiße, von wem ist das?“
Die „neue“ Sängerin der Hellsongs betritt die Bühne. Auch sie trägt Frisur und ist der Augenstern des Ensembles mit ihrer lauten Garderobe. Es reiht sich Cover an Cover – mal erklingt Judas als Boogie Woogie, mal wird aus Metallica eine Country-Schunkel-Nummer und einer der intensivsten Iron Maiden Klassiker wird fast zum Schmuselied. Da freuen sich auch die Freundinnen. Sie schauen ihren Frisurenfreund an und beginnen überhaupt zum ersten Mal zu verstehen – die Texte auf der Bühne und die Leidenschaft ihrer besseren Hälfte. Wenn Ozzy krächzt “Happiness I cannot feel and love to me is so unreal” ergibt alles Sinn. Sie versteht seine Leidenschaft. Er versteht, dass für sie das Gewand die Musik macht. Hellsongs schlagen dabei eine bejubelnswerte Kompromisslösung vor und versuchen sich am Brückenschlag. Und wie? 150 Konzertbesucher schwenken zu Piano und Akustikgitarre den Höllenfinger und berühren zwar nicht den Himmel aber zumindest das Deko-Tarnnetz für die Depeche-Mode-Party im Anschluss. Diese Partypeople müssen aber noch kurz warten – drei Zugaben müssen sein. Hellsongs verstehen sich prächtig auf ihre Dienstleisterfunktion. Das Licht geht an, die Frisuren werden gerichtet und es geht nach Hause. Die Blicke der Jungs sagen: „Morgen hör ich mal wieder „Symphony of Destruction“. Die Blicke der Mädchen sagen: „Wie leihe ich mir, ohne dass er es merkt, seine Iron Maiden Langspielplatten aus?“ Die Blicke treffen sich und ein mehr als gelungener Konzertabend geht zu Ende.