23. April 2013

Ich bin gerade in Ihrem Haus… Rufen sich mich an.

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Armin Zarbock liest "Die Ratten im Gemäuer"

Knarzen, kratzen, knispeln – wer nach Feierabend, wenn alle Gäste und die meisten Kollegen gegangen sind, durch die leeren Hallen der Moritzbastei geht, kenn dieses seltsame Gefühl: plötzlich hört man Geräusche, die nichts mit dem alltäglichen Tropfzischraschel der technischen Anlagen zu tun haben. Da gibt es den „Geist mit Stöckelschuhen“, der von etlichen Kollegen unterschiedlichster Dienstgenerationen gehört wurde. Da sind die unheimlichen nächtlichen Anrufe: Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelt – im Display erscheint eine interne Rufnummer… dabei ist niemand sonst mehr im Haus (fies wenn so was passiert, kurz nachdem man „Lost Highway“ geschaut hat… siehe Überschrift). Es soll sogar schon einen Anruf mitten in der Nacht nach draußen gegeben haben, obwohl nachweislich niemand aus dem besagtem Büro telefoniert hat… Nun gut. Die Grundstimmung sei hiermit ausreichend definiert – behalten wir diese seltsamen Anrufe erst einmal im Hinterkopf, sie werden noch einmal eine Rolle spielen.

Wie wunderbar fügt sich in diese Atmosphäre eine Grusel-Lesung: „Die Ratten im Gemäuer“ von H.P. Lovecraft, gelesen von Armin Zarbock am vergangenen Donnerstag in unserer Ratstonne.
Wer Armin Zarbock als Schauspieler der Theaterturbine oder diverser Sommertheater in unserem Haus kennt, weiß um sein Talent, die verschrobenen, leicht neurotischen und tragisch-komischen Charaktere zu verkörpern. In Lovecrafts Horror-Kurzgeschichte folgt man ihm in der allmählichen, sehr subtil angedeuteten Verwandlung vom rationalen Ich-Erzähler zu einem gebrochenen Mann, der hinabgestiegen ist in die Schlünde der Hölle und wohl nie wieder von dort zurückkehren wird.
Während im Hintergrund Cinemagramme verfallener Leipziger Gebäude über die Leinwand flimmern, schafft es Zarbock durch seinen ruhigen, zurückhaltenden Erzählstil, eine ungeheure Spannung aufzubauen. Atemlos folgt man ihm – bzw. dem Ich-Erzähler Delapore – bei dem vergeblichen Unterfangen, die seltsamen Geräusche hinter den Wandbehängen zu erklären, dem Hinabsteigen tief ins Fundament seines Hauses, bis schließlich das Unfassbare offenbar wird und die alten Gemäuer ihr entsetzliches Geheimnis preisgeben.
Und genau in einem dieser Momente des Spannungsaufbaus, während die Protagonisten durch die düsteren Hallen über das Grauen stolpern und die Zuhörer sich von Zarbock gebannt mitziehen lassen, zeigen die Geister der Moritzbastei hämische Schadenfreude: genau in einem solchen Moment – – klingelt das Telefon am unbesetzten Tresen. Dem allgemeinen Zusammenzucken folgt eine kurze Verwirrung. Wer am Apparat war, werden wir nie erfahren. Die restliche Vorstellung über verbleibt der Hörer neben der Gabel.

Diese Veranstaltung verdient auf jeden Fall mehr Gäste, als sich am vergangenen Donnerstag zu uns verirrt haben (okay, die MB ist auch wirklich verwinkelt, vielleicht sind ja noch ein paar Verwirrte in der Dunkelheit des Oberkellers verloren gegangen oder über unheimliche Artefakte einer vergessenen Epoche gestolpert). Aus diesem Grund verweise ich nachdrücklich auf den nächsten Termin am 17. Mai um 20 Uhr im Horns Erben. Dass ich hier eindeutig der Konkurrenz in die Hände spiele, unterstreicht hoffentlich die Dringlichkeit meines Anliegens: Schauen und hören Sie sich diese Lesung an!

Mehr Infos gibt es hier: Die Tragikkomödianten


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