Die Moritzbastei als Kulturbastion wird 40. In loser Reihe öffnen wir unser Anekdotenkästchen und berichten von Momenten aus vier Jahrzehnten, die zwar nicht die Welt veränderten, aber trotzdem Eingang gefunden haben in das Moritzbastei-Kollektivgedächtnis. Heute: Die zweite Eröffnung am 5. Februar 1982.
Die Moritzbastei hatte sich seit 1974 zur Dauerbaustelle entwickelt. Das lag daran, dass der Zustand der historischen Bausubstanz die Planungen immer wieder vor neue Herausforderungen stellte. Auch die Mangelwirtschaft der DDR trug das ihre dazu bei, dass eine Eröffnung des gesamten Gebäudes sich immer wieder verzögerte. Um wenigstens ein erstes Erfolgserlebnis vorweisen zu können, wurde deshalb am 1. Dezember 1979 eine Teileröffnung gefeiert. Wohl auch, um die Studenten zu motivieren, die immer wieder zu ehrenamtlicher Mitarbeit aufgerufen wurden. Genau zwei Jahre später, am 1. Dezember 1981, sollte dann endlich das komplette Gebäude seiner Bestimmung als „Zentraler Studentenklub der Karl-Marx-Universität“ übergeben werden. Die Einladungen waren schon gedruckt, doch es kam anders…
Gleichzeitig zum Wiederaufbau der Moritzbastei gab es gleich nebenan nämlich noch eine Baustelle. Am 20. Januar 1977 war der Grundstein für das Neue Gewandhaus zu Leipzig gelegt worden. Dieses Bauvorhaben war im Gegensatz zur Moritzbastei ein von höchster Stelle geplantes Prestigeobjekt, der Entwurf von Architekt Rudolf Skoda versprach ein außergewöhnliches Konzerthaus im Herzen der Stadt. Das Gewandhausorchester sollte unter Kurt Masur wieder zu altem Ruhm zurück finden und in der Welt das Lied der sozialistischen Kulturrepublik DDR spielen. Hier wurde also geklotzt und nicht gekleckert, nach nur vierjähriger Bauzeit (take this, Elbphilharmonie!) konnte das Gewandhaus bereits am 8. Oktober 1981 eröffnet werden. Auf dem Programm standen die Auftragskomposition „Gesänge an die Sonne“ von Siegfried Thiele und, wer hätte es gedacht, Beethovens Neunte.
Bilderstrecke: Kurt Masur in der Moritzbastei 1981
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So ein Ereignis will gebührend gefeiert werden, dachten sich Gewandhausorchester und die deutschen demokratischen Sonnenkönige. Wer auf die Idee kam, die gerade eben fertig gestellte Moritzbastei für das Fest zu beanspruchen, wissen wir heute nicht mehr. Ob es sehr lange Gesichter bei den MB-Machern gab? Oder waren sie schnell zu überzeugen, den Kollegen der Hochkultur zuliebe ihre Eröffnungsparty noch einmal zu verschieben? Wie dem auch sei, Kurt Masur feierte am 1. Dezember die Neueröffnung seines Gewandhauses in unseren Gewölben.
Die neuen Einladungen wurden dann für den 5. Februar 1982 verschickt, diesmal konnte das Fest problemlos über die Bühne gehen. Wie auch der ursprüngliche Dezembertermin war die Eröffnung an ein Universitätsjubiläum gekoppelt, im Februar wurde zu DDR-Zeiten der „demokratischen Neugründung“ der Uni nach dem zweiten Weltkrieg gedacht. Kurt Masur war dann noch ein, zwei Mal in unserem Hause, immer als geladener Gast zu diversen Festveranstaltungen. Unser reguläres Programm hat er sicher nie besucht, wobei sich jetzt noch einmal eine gute Gelegenheit böte – seine Tochter Carolin Masur moderiert in diesem Jahr „Masurs Hausbar“, ein Late-Night-Talk mit Musik und illustren Gästen, das nächste Mal am 13. Mai.