Das Editorial für unser Novemberheft endet mit der prophetischen Aussage: „November wird es von ganz allein.“ Die Vorhersage hat sich erfüllt, ihr habt sicher auch nichts anderes erwartet. Wie es zu dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung kam – lest selbst.
Semesteranfänge sind wunderbar. Ein bisschen wie Frühling im Oktober: An allen Ecken knospen neue Gesichter auf, strahlend strömen die neuen Studenten in die Hörsäle, um bei Semesterauftaktpartys aufzublühen. So geht das drei, vier Wochen. Dann hört es auf mit der Frühlingsanalogie, anstelle eines launigen Sommers kommt ein November, der den Elan eines Stadtbüroangestellten mit 30 Jahren Berufserfahrung verströmt. Langsam stellt sich die Erkenntnis ein, dass die Seminare übervoll und die Dozenten die eigene Routine nur schwer überwinden können. Der heiße Flirt von der Auftaktparty ist natürlich schon mit irgendwem anders zusammen, das Mensaessen wiederholt sich, die Bücher für das Seminar sind alle verliehen oder sauteuer. Die Finger fangen langsam an, vom Durchblättern all der Seminarhandouts nach Copyshop zu riechen. Und Mutti müsste mal wieder Geld schicken.
Es hilft nichts, das Leben besteht nun mal aus hunderttausend vielversprechenden Neuanfängen, die zu 99 Prozent nichts von dem halten, was man von ihnen erwartet. Das Restprozentchen entpuppt sich wahlweise als Langzeitbeziehung, dauerhafte Beschäftigung oder Lottogewinn, was sich ganz schnell als furchtbar aufwändig, zeitfressend und neiderzeugend herausstellt.
Das Studium hat nur einen Zweck: es will schnellstmöglich hinter sich gebracht werden. Lernen, Lernen, nochmals Lernen hält echt nur auf, das merkt man spätestens im 13. Semester. Am Ende gerät man in eine Führungsposition mit 60-Stunden-Woche. Das kann niemand ernsthaft wollen, oder? Genießt also den Semesteranfangsfrühling im Oktober so lange, wie ihr es könnt. November wird es von ganz alleine.