28. November 2017

Dieser Baum gehört dem alten Mann

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So alt ist Peter „Cäsar“ Gläser gar nicht geworden.  Vor knapp zehn Jahren starb er, neunundfünfzig Jahre hinter sich lassend, deren Höhen und Tiefen Stoff für mehr als ein Leben lieferten. Als Gitarrist von RENFT wurde er zu einer Ikone der DDR-Rockmusik, und obwohl (oder weil?) die Band auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1975 mit einem Auftrittsverbot belegt wurde und zerbrach, überdauerte ihre Legende auch den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik. Peter Gläser brachte Zerbrechlichkeit, Poesie und Idealismus mit in die vor Testosteron strotzende Renft-Combo und komponierte einige ihrer zärtlichsten Lieder.

Was bleibt von so einem Leben, das für die Verwertungsmechanismen der heutigen Musikindustrie kaum taugt? Zwar spielt Thomas „Monster“ Schoppe als einziges verbliebenes Mitglied mit alten Weggefährten eine Tournee zum 50-jährigen Bühnenjubiläum von Renft (Christian „Kuno“ Kunert kann nicht mehr als Musiker auftreten und schreibt Romane). Doch langsam gehen auch die einstigen Fans des DDR-Rocks in die Geschichte ein. Bestehen „Cäsars“ Songs aus der Hochzeit des progressive rock den Test der Zeit?

Zwei von Cäsars fünf Kindern, Moritz und Robert Gläser, wollen genau das beweisen. Ihre Band heißt Apfeltraum, so wie eins der berühmtesten Lieder, das ihr Vater komponierte (die Überschrift ist dem Liedtext entnommen). Sie bringen seine Songs auf die Bühne, übermorgen zum zweiten Mal in der Moritzbastei. Es wird sicher spannend zu hören sein, wie sich Cäsars Songs einfügen in eine Zeit, in der wieder viele junge Konzertgänger zu Bands wie Wucan oder Polis pilgern, die sich sich im Auftreten und im Sound genau wie einst Renft an den großen Vorbildern von Vanilla Fudge, Deep Purple oder King Crimson abarbeiten.

Das erste Zusammentreffen zwischen Peter Gläser und der Moritzbastei fand übrigens im Jahr 1975 statt. Renft waren die Stars des Baukonzerts Nr. 5, mit dem für den Wiederaufbau der Moritzbastei als Jugend- und Studentenklub geworben werden sollte. Die Band war damals zu berühmt, als dass die Moritzbastei-Baustelle allen Fans hätte Platz bieten können. Das Konzert fand also in der benachbarten Kalinin-Mensa statt, einem alten Biersaal, der seit kurzem wieder als Veranstaltungsort dient.

Renft waren 1975 aber nicht nur berühmt, sondern auch berüchtigt, weshalb das Konzert nur mit anschließender Diskussion stattfinden konnte, in der die Musiker ihre Texte verteidigen mussten, die den DDR-Alltag und den politischen Mief der Zeit mehr oder weniger unverblümt thematisierten. Nur kurze Zeit später durfte Renft nicht mehr in der DDR auftreten, Bandmitglieder wurden verhaftet und fanden sich über kurz oder lang in der Bundesrepublik wieder. Cäsar blieb bis 1989, gründete mit Karussell eine weitere große DDR-Rockband und gastierte später immer wieder in der Moritzbastei. Die Bands trugen jetzt seinen Spitznamen im Titel, das Bild am Anfang des Artikels stammt aus den 1980er Jahren (wie die Stulpen des Rhythmusgitarristen verraten).

Veranstaltet wird das Konzert übrigens vom Anker e.V., der inoffiziellen Nachwende-Wohnstube von Renft im Leipziger Norden, die aufgrund der umfassenden Rekonstruktion nicht für Veranstaltungen genutzt werden kann.


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