25. Juni 2011

And the Song Slammer 2011 is…

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… ha, das verrate ich natürlich erst am Ende des Beitrags.

Gestern war der große Tag: Mit Blitz und Donner – und darum nicht wie geplant auf unserer Open-Air-Bühne, sondern in der guten alten Veranstaltungstonne – wurde das SongSlam Jahresfinale 2011 ausgetragen. Dazu waren die Sieger der letzten Staffel, die im September des vergangenen Jahres startete, noch einmal eingeladen. Zeit und Lust hatten schließlich acht von elf GewinnerInnen.

Das Prinzip der meisten Kleinklubshows ist ja mehr oder weniger beim Fernsehen abgestaubt. Talk- oder Quizformate werde für die Bühne umgemodelt, die Late-Night-Show für den Wohnzimmerklub umarrangiert. Poetryslams scheren da aus der Reihe – deren Wurzeln liegen in der Tradition der open stages in den USA, die dort seit Jahrzehnten zum festen Ausgehrepertoire gehören. Der SongSlam überträgt die Kultur der Poetry Slams auf LiedermacherInnen und SängerInnen, die Trennlinie zum Castingmüll der TV-Welt wird nie überschritten. Die Leipziger Moderatoren und masters of ceremonies balancieren die Veranstaltung auch wunderbar aus, der ungute Eindruck von Leistungssport wird tunlichst vermieden (obwohl beide durchaus von einem sportlichen Ehrgeiz angetrieben werden, was die eigene Performance angeht, wie ich nach der Show bei einem Verdauungsbier feststellen durfte). Wenn jemand auf der Bühne untergehen sollte, dann bitte in Applaus und Schönheit.

Womit wir bei Julius und Tim wären, die auch den gestrigen Abend eröffneten. Julius mit einem Song über Daniel Brühl, der manchem im ausverkauften Saal aus dem Herzen sprach. Tim mit einer deutschen Version von „Like a rolling stone“. Ich bewahre ja zeitlebens eine gewisse wohlwollende Distanz zur Musik Bob Dylans. Vielleicht sollten das andere auch tun, aber das Publikum tat, was ein gutes Song-Slam-Publikum tun muss und jubelte.

Der Aufzug der SongSlammer danach begann mit einem unglaublichen Orkan. Diesen löste Oliver Haas aus mit seinem Stück „5,5 Dioptrien“. Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, trotz der durchaus hohen Qualität des an diesem Abend Dargebotenen blieb dieses Lied unerreicht. In meiner Erinnerung ging eine der entscheidenden Textzeilen so: „Wenn du morgens neben mir aufwachst / bist du nicht mehr scharf / Ich dafür umso mehr / wenn ich dich neben mir liegen hör“. Der Saal tobte ob dieser weisen Darstellung der Leiden starkbrillentragender Menschen, zu Recht.

Pit Strehl, der den beinahe undankbaren zweiten Startplatz gelost hatte, schlug sich erstaunlich wacker und wurde dafür nach der ersten Runde sicher ins Halbfinale applaudiert. Bei seinem Qualifikationssieg (mir fällt gerade kein blöderes Wort ein) war ich alles andere überzeugt von seiner für meinen Geschmack etwas zu kirchentäglichen Attitüde. Ins den Abend startete er aber sehr ansehnlich mit einem Lied, das „Im Traum“ (oder ähnlich) hieß und bemerkenswert unpeinlich berührte. In der zweiten Runde machte er dann allerdings ernst. Ein Lied „Anschauung und Vorurteil“ zu nennen, das dürfen eventuell russische Großdichter oder zur Not noch Jochen Distelmeyer. Dann aber eine Eloge über Natürschützer loszulassen, die im Herzen unerwarteterweise Rock-n-Roller sind, das strapazierte meine Toleranzbereitschaft deutlich über. Böses Ohrenfoul, das. Da beim SongSlam die Gerechtigkeit manchmal siegt, war das Finale dann Pit-Strehl-frei.

Danach spielte Christoph Paulik eine Gitarrenimprovisation. Die kleine Nebenschauplatz-Bartbattle mit Julius Fischer ging klar zu seinen Gunsten aus, für das Halbfinale reichte es leider nicht. Die Abstände der Applausometermessungen waren zwar hauchdünn, sprachen aber dann doch gegen Christoph.

Trailhead kam dann auf Bob Dylan zurück und sang mit Mundharmonika, Gitarre und „Nothing but well“ eine flotte Nummer ganz im Stile des Obernölers. Das Publikum honoerierte den ersten englischen Beitrag des Abends und schickte den Trailhead über das erste Stechen ins Halbfinale. Das dann vorgetragene Stück hat sich vollständig in meiner Erinnerung aufgelöst. Es war etwas ruhiger als das erste und ohne Mundi. Vielleicht weniger bobdylanesk. Auf jeden Fall zu unscheinbar, um ins Finale vorzudringen.

Wenke Wollny und ihr Saxofonist verbauten sich diesen Weg gleich von Anfang an. Mit schöner Stimme und einem hinreißenden Augenaufschlag intonierte sie ihr Lied vom Text, der irgendwie weg war. Oder weg sein sollte. Ich habe keine Ahnung, wovon die Wenke da am Klavier so angerucht vor sich hin sang, und die Schönheit der Akkorde überdeckte die Ratlosigkeit nur oberflächlich. Das Publikum sah es ähnlich und jubelte gerade so dosiert frenetisch, dass für Wenke im Stechen zum Halbfinale Schluss war.


Benjamin Buquet
hieß beim Monatsfinale noch Benson, war diesmal schrecklich aufgeregt und trug einen Norwegerschal. Er schaffte es tatsächlich, das Publikum zum Mitsingen zu bewegen, wow. Sein Song handelte davon, damals alles richtig gemacht zu haben aber später eher dann nicht mehr soviel. Mir eine Spur zu selbstmitleidig. Was das Publikum dazu brachte, Benjamin nicht weiterzuklatschen, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht wollte es eher gar nicht singen? Klang nicht so, aber man steckt bekanntlich nicht drin.

Blieb noch Markus Schwartze, der Laptapper. Mit Gitarre auf dem Schoß / legte er verdammt famos / los. Aus den Publikumsreihen waren moderne Ausdrücke des baffen Erstaunens zu vernehmen, wie zum Beispiel das beliebte „Krass“. Schwartze spielte die Gitarre wie ein Klavier oder ein Fingerschlagzeug. Der Kontrast zu den gesungenen Stücken der anderen Kandidaten war grandios, und das Publikum klatschte Markus bis ins große Finale. Ein wenig ähnelten sich die Stücke zwei und drei sich dann doch, so dass es am Ende ganz knapp nicht zum Titel reichte. Dafür gab es Tims Federboa und eine Flasche Sekt als Trostpreis.

Womit wir es verkünden dürfen: The Song Slammer 2011 is OLIVER HAAS! Sein finales Stück war dabei fast eine Provokation, handelte es doch davon, dass ihm manchmal vor „Zement im Kopf“ nichts einfalle. Aber die Umsetzung dieser Einfallslosigkeit war mitreißend genug, um den Saal auf seine Seite zu ziehen. Oliver Haas ist damit der SongSlamGott 2011. Bei einem der nächsten regulären SongSlams winkt ihm ein Auftritt als featured Speschlgesst. Und, wenn ich Rick richtig verstanden habe, möglicherweise ein Auftritt als Warm-up für das Finale des Großen Preises im Oktober im Werk II. Wir bleiben dran!

Der nächste SongSlam ist dann am 28.9. nach der Sommerpause. Beim oben erwähnten Abklingbier wurden noch ein paar wilde Ideen in die Welt gesetzt, bei denen Charles Aznavour, Manfred Krug und Aiva eine gewisse Rolle spielten. Da könnte dann die gestern abend etwas deplatziert wirkende Katja-Ebstein-Nummer ein Zuhause finden… Aber davon vielleicht bei einem der nächsten Male.

Hier noch ein paar Bilder.

[mygal=songslam11]


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